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Vlasowa I.A.
Sawelewa A.W.
Nationale Universität für Wirtschaft und Handel
namens M. Tugan-Baranowsky, Ukraine
Die Herausbildung einer innovativen Sozialen
Unternehmenskultur
Das Thema „Soziale Unternehmungen“
ist erstmals Anfang/Mitte der 90er Jahre auf der Agenda transnationaler,
insbesondere europaweiter Forschungsvorhaben aufgetaucht. Andersals die
allgemeine Renaissance der Drittel-Sektor-Forschung, angeregt vor allem durch
das Johny-Hopkins Non-Profit-Sector Komparative Project, entspringt das
wachsende Interesseam Thema „Soziale Unternehmungen“ der europäischen
Diskussion um die Wie der belebungbzw. Weiterentwicklung der „Sozialen
Ökonomie“, die in ihren Wurzeln bis in die Selbsthilfe - und Genossenschaftsbewegung
des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Insofernerscheint es sinnvoll, wie im
Allgemeinen Teil bereits dargelegt, zwischen einer mehramerikanisch
geprägten und einer mehr europäisch geprägten Drittel-Sektor-Forschung
zuunterscheiden.
Die Unterschiede ergeben sich,
wie bereits gesagt, aus verschiedenen Sichtweisen auf diesen „Sektor“, je
nachdem ob eine mehr zivilgesellschaftliche bis philanthropische oder eine
mehrsozialökonomische Orientierung vorherrscht. Dies findet nicht zuletzt
seinen Ausdruck in der Frage, aus welchen Bausteinen sich der „Sektor“
zusammensetzt. In der mehrzivilgesellschaftlich orientierten Sichtweise sind es
die NGOs (Non Governmental Organisation) und NPOs (Non Profit Organisation).
Ihnen wird in negativer doppelter Abgrenzung eine Position zwischen bzw.
jenseits von „Markt“ und „Staat“ zugewiesen, wobei implizit die Gesellschaft
bzw. deren politisches System als Bezugspunkt dient. Bezugspunkt der
sozialökonomischen Sichtweise ist demgegenüber in erster Linie das Wirtschaftssystem,
wobei allerdings ein umfassenderes Verständnis von „Wirtschaft“ zugrunde
gelegt wird, welches über die klassischen Formen der Privatwirtschaft
hinaus gehtund sowohl öffentliche als auch assoziative bzw. kollektive
Wirtschaftsformen einschließt. Indiesem Kontext erscheint der „Sektor“
als ein drittes Wirtschafts-System,
dessen Bausteinesich aus wirtschaftlichen „Unternehmungen“ zusammensetzen. In
der traditionellen Sichtweise der Europäischen Union, die von der
französischen Taxonomie bestimmt ist, besteht die „Économie Soziale“
aus den vier Säulen der „Coopératives“, der „Mutualités“,
der „Associations“ und der „Fondations“, kurz zusammengefasst als
„CMAF-Familie“. Obwohl diese Einteilung in der Europäischen Union
offiziell immer noch Gültigkeit besitzt, waren damit von Beginn an
forschungs- und organisationspolitisch zwei Probleme verbunden:
Zum einen erwies sich die an
französischen Institutions- und Rechtsformen orientierte Gliederung in
vielen europäischen Ländern als nicht anwendbar, nicht nur weil bestimmte
Entsprechungen im jeweiligen Landesrecht fehlten, sondern auch weil unter den
gleichen Begriffen rechtlich, politisch und kulturell durchaus Verschiedenes
verstanden wurde, mitzum Teil absurden Konsequenzen: So fanden sich in
Gemeinschaftsprogrammen zur4Förderung der Sozialen Ökonomie
Projektteilnehmer nicht nur aus dem staatlichen undhalb staatlichen Bereich,
sondern auch aus offenkundig kommerziellen Organisationen, sofernsie eine der
genannten Rechtsformen vorzuweisen hatten. Umgekehrt blieben gemeinnüt zighandelnde
Organisationen ausgeschlossen, die nicht in das vorgegebene
Organisationsmusterpassen wollten. Letzteres betraf besonders solche
Organisationen, die von den sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen ins Leben
gerufen wurden. Widerspruch kam allerdings auch von Vertretender klassischen
Sozialen Ökonomie, z.B. den deutschen Genossenschaften und Wohlfahrt sorganisationen,
wobei die einen sich als Teil der Privatwirtschaft betrachten und die anderen
sich nicht aus dem staatlichen Wohlfahrtssystem ausgrenzen lassen wollten. Nach
mehreren – letztlich gescheiterten – Versuchen, die jeweilige nationale
Sichtweise aufdie europäische Ebene zu übertragen, setzte sich –
zumindest in der international vergleichenden Forschung – die Erkenntnis durch,
dass ein anderer methodischer Ansatzbenötigt wird, der sich nicht mehr an
Rechts- und Institutionsformen orientiert. In diesem Zusammenhang entstand das
Konzept der „Sozialen Unternehmung“ als übergeordneter Begriff für
alle Organisationsformen und Einheiten, aus denen sich die Soziale
Ökonomie zu sammensetzt. Deren Bestimmung sollte sich an operational liierbaren
Kriterien orientieren, welche unabhängig von den jeweiligen rechtlichen,
politischen und kulturellen Rahmenbedingungen anwendbar sind. Darüber
hinaus haben sich in mehreren europäischen Ländern Bestrebungen
entwickelt, die unterschiedlichen Organisationsformen der Sozialen Ökonom mitunter
dem Begriff der „Sozialen Unternehmung“ in einem gemeinsamen
Rechtsinstitutzusammenzufassen. Leider verfügen derzeit weder die
verschiedenen Länderinitiativen nochdie transnationalen Forschergruppen
über ein allgemein anerkanntes Konzept. Andererse itserscheint das
Erproben unterschiedlicher Konzepte durchaus angebracht, wie die Erfahrungmit
der schematischen Übertragung des französischen Modells gelehrt hat.
Das gilt v.a. fürdie Suche nach verbindlichen rechtlichen
Rahmenbedingungen. Bei der Bestimmun gopera tiona liierbarer Kriterien hingegen
zeichnet sich, zumindest unter den beteiligten Forschergruppen, ein
möglicher Konsens ab. Die Konzepte unterscheiden sich hinsichtli chder
Zahl und der Qualität zusätzlicher Kriterien, Übereinstimmung
besteht jedoch in folgenden Punkten: Soziale Unternehmungen sind
Wirtschaftsunternehmen zur Realisierung so zialerund / oder gemeinwesenbezogener
Zielsetzungen; Es handelt sich um Formen der Selbstorganisation bzw.
Selbsthilfe von Bürgern, die sich von einem oder mehreren Mängeln in
der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen betroffen fühlen; Ihr
wirtschaftliches Handeln ist den sozialen und/oder Gemeinwesen bezogenen Zwecken
untergeordnet und folgt dem Prinzip des „not-for-private-profitdistributing“.
LITERATURVERZEICHNIS:
1. Bundesarbeitsgemeinschaft der
Werkstätten für Behinderte e.V. (Hrsg.) (2000, 2001, 2002): Belegte Plätze in
Mitgliedseinrichtungen der BAG WfB. Frankfurt am Main
2.
Hilpert, M.; Hotopp,
U.; Kistler, E. (2000): Schattenwirtschaft, Informelle Ökonomie und Dritter Sektor als
Teile eines größeren Ganzen, in: Bundesministerium für Bildung
und Forschung
(Hrsg.): Informelle Ökonomie, Schattenwirtschaft und Zivilgesellschaft als Herausforderung
für die Europäische Sozialforschung. Bonn, S. 69 ff.