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Sintschenko V.V.
Kiew,
Ukraine
BILDER VON DER WIRTSCHAFT IM SPÄTKAPITALISMUS
Die Erosion kultureller
Leitbilder, das Ende der Erwerbsgesellschaft oder der Arbeit uberhaupt: Das
sind die aktuellen "Diskurse des Verschwindens", die auf den neuen
Kapitalismus in den westlichen
Gesellschaften mit der zugehorigen
Expansion eines
digital-elektronisch gestutzten Dienstleistungssektors reagierten. Gegen die
vorgebliche Evidenz der konkreten Praxis und dem mit ihr verbunden Argument der
Notwendigkeit wird "Arbeit" in dieser Studie als ein Konstrukt
diskursiver Formationen aufgefa.t. Aus einer historisch-anthropologischen
Perspektive werden zunachst die Versuche zur diskursiven Schlie.ung des
Arbeitsbegriffs und seine Instabilitat am Beispiel philosophischer Primartexte
wie auch durch die
Inkonsistenzen in seiner medientechnischen Inszenierung bis in die deutlich
gemacht.
In einem zweiten,
empirischen Schritt analysieren die AutorInnen die Sinnhorizonte, die in der
zeitgenossischen Werbung der IT-Industrie entworfen werden: Dort ist die Arbeit
nicht "verschwunden", sondern einem Proze. der Umwertung und
Re-Codierung unterworfen. Metaphern des Industriellen finden teilweise eine
verstarkte Affirmation, wahrend sie gleichzeitig mit Signifikanten des
Anti-Autoritaren, des Devianten, des befreiten Wunsches und des Genie.ens
verknupft werden. In einer solchen Loschung vormaliger Differenzen implodiert
"Arbeit" in der Konstruktion eines hypertrophen Subjekts und wird
durch ihre Kulturalisierung ubiquitar und universell.
Eine tiefe
Auseinandersetzung mit der geschichtlich-gesellschaftlichen Wirklichkeit der
Gegenwart kann und darf nicht von den bisherigen Resultaten der
revolutionären Theorie abstrahieren. Das heißt noch immer kritische
Rezeption und Ausbreitung der
Marzschen Theorie und ihrer
Weiterentwicklung in den verschiedenen Perioden nach ihrer Entstehung. Wir sind
gegen jede Dogmatisierung des Marzismus, denn er ist eine schöpferische
Wissenschaft, die sich auf der Grundlage der kritischen Methode der Dialektik
mit jeder neuen Wirklichkeit auseinandersetzen muß, aus ihr die
Kategorien für ein Verständnis der je konkreten Gegenwart zu gewinnen
hat.
Die Schaffung
neuer Bedürfnisse, die die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung durch
die «freiwillige Produktion der Natur» überschreitet, zwingt die Menschen eine auf Arbeitsteilung
beruhende industrielle Produktionsweise
einzufüh- ren. Mit der Arbeitsteilung ist das Privateigentum und
der Klassengegensatz, der Widerspruch
zwischen den Interessen der Klassen und dem gesellschaftlichen Interesse
aller Individuen. Die Geschichte
der menschlichen
Gesellschaft als
Klassengesellschaft beginnt mit der
arbeitsteiligen Organisation des materiellen Lebens. Die Trennung der
«Produkti- onsbedingungen» von den unmittelbaren Produzenten konstituiert den
Grundwiderspruch von Kapital und Lohnarbeit, der in den je spezifischen
historischen Phasen besondere Formen gewinnt. Das Kapitalverhältnis der
bürgerlichen Ge- sellschaft, die die aus der Arbeitsteilung entstehende
Entfremdung des Menschen von den von ihm produzierten Produkten auf die Spitze
treibt, bildet das Klassenverhältnis von Bourgeoisie und Proletariat
heraus.
Der alle kapitalistische
Produktion auszeichnende Widerspruch besteht darin, daß auf der einen
Seite die Produktions- weise gesellschaftlichen Charakter trägt, das heißt alle Produzenten in einen
tendenziell weltweiten arbeitsteiligen
Zu- sainmenhang einbezieht, der allein die Entwicklung und Entfaltung der Produktivkrafte
und des gesellschaftlichen Reichtums
ermöglicht, auf der anderen
Seite die private Aneignungsweise
dominiert, die Arbeit als
Privatarbeit dem Produzenten erscheint,
er sich in ihr nicht wiedererkennt und von der Fülle
gesellschaftlichen Reichtums
ausgeschlossen ist.
Der Kampf zwischen
Produzenten und Kapitalistenklasse bestimmt die ganze Formationspenode der
bürgerlichkapitalistischen Gesellschaft.
Der Wandel der Klassenformen erklärt sich aus der geschichtlichen
Entwicklung der Ar- beit. In bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft herrscht nicht mehr
eine bestimmte Arbeit,
sondern die abstrakt- allgemeine Arbeit vor. Die
menschliche Arbeitsfähigkeit wird zur Ware Arbeitskraft, zum doppelt
freien Lohnarbeiter, frei von Produktionsmitteln und frei für den Verkauf
seiner besonderen Fähigkeit, gesellschafthchen Reichtum zu produzieren.
In der warenproduzierenden
Gesellschaft transformiert sich die menschliche Arbeit, die ursprünglich eine individuelle, dem Menschen spezifisch
auszeichnende Fähigkeit bezüglich seiner unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung war, zu
einer gesellschaftlichen, warenproduzierenden Arbeit.
Das Produkt der
individuell-gesellschaftlichen
Arbeit wird zur Ware, und die lebendige, den Reichtum schaffende menschliche Arbeit, ist nur noch als
auszubeutende Arbeitszeit wichtig: «Die
Zeit ist alles, der Mensch ist nichts» (Marx). Die gesellschaftlichen Kontakte zwischen den ein- zelnen
Produzenten hören auf, sie werden die unpersönlichen Träger ihrer
Arbeitsprodukte. Die menschlichen Beziehungen, die der gesellschaftlichen Arbeit zugrunde liegen, die diese Waren
durch arbeitsteilige Arbeit produzieren, ver- wandeln sich in Ding- und
Warenbeziehungen. Mit einem Bild aus
der «Nebelregion der religiösen Welt» bezeichnet Marx diesen Schein, der
ein fundamentum in re hat, als den Fetischcharakter der Warenwelt.
Denn wie in der Warenwelt
die Produkte der menschlichen Hand, so scheinen in der religiösen Welt die
Produkte des Geistes mit einem eigenen Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis
stehende selbständige Gestalten zu
sein.
Die Entwicklung der
warenproduzierenden Gesellschaft ist identisch mit immer
unpersönlicheren menschlichen
Verhältnissen. Die konkreten Individuen werden im Prozeß der
Produktion und Konzentration des Kapitals zu ökonomi- schen
Charaktermasken, zu Personifikationen ökonomischer Verhältnisse. Die
Macht des Kapitals nimmt immer mehr zu, und der Kapitalist, die Personifikation
der gesellschaftlichen Produktionsbedingungen, wird gegenüber dem unmittelbaren
Produzenten immer mächtiger, ist entfremdet, verselbständigte Macht, die als Herrschaft der
«totgeschlagenen Materie» in der Hand der Kapitalistenklasse der
Gesamtgesellschaft gegenübertritt:
«Die verzauberte, verkehrte und auf den Kopf gestellte Welt, wo Monsieur le
Capital und Madame la Terre als soziale Charaktere, und zugleich unmittelbar
als bloße Dinge ihren Spuk treiben» (Karl Marx: Das Kapital, Bd. 3,
Berlin 1961, S.884). Die Verdinglichung des Men- schen wird durch die
Falschheit seines Bewußtseins vollendet. Der wichtigste Charakterzug der
kapitalistischen Gesell- schaft für eine Analyse, die diese Wirklichkeit
unter dem Aspekt ihrer revolutionären
Veränderbarkeit
betrachtet, ist, daß die
Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht adäquat erkennen
können. Statt der wirklichen ökonomischen Verhältnisse als einer
Gesamtheit menschlicher Beziehungen spiegelt sich nur deren verdinglichter
Schein im Bewußtsein der Produzenten (wider). Diese Mystifikation des
Bewußtseins über die geschichtlich-gesellschaftliche Wirklichkeit wird durch die verschiedenen
Metamorphosen des Kapitals in der Produktion und Zirkulation immer
vollständiger. In der Geldform schließlich ist von der
ursprünglichen Form des Kapitals nichts geblieben, die Mystifikation des Kapitalverhältnisses ist totalisiert, aber der Übergang zu
einer neuen produktionsform deutet sich schon an:
Wenn das Kreditwesen als Haupthebel der
Überproduktion und Überspekulation im Handel erscheint, so nur, weil
der Reproduktionsprozeß, der seiner Natur nach elastisch ist, hier bis
zur äußersten Grenze forciert wird, und zwar deshalb forciert wird,
weil ein großer Teil des gesellschaftlichen Kapitals von den Nichteigentümern desselben angewandt wird, die daher ganz anders ins Zeug gehen
als der ängstlich die Schranken seines Privatkapitals erwägende
Eigentümer, so- weit er selbst fungiert. Er tritt damit nur hervor,
daß die auf den gegenständlichen Charakter der kapitalistischen
Produktion gegründete Verwertung des Kapitals die wirkliche, freie
Entwicklung nur bis zu einem gewissen Punkt erlaubt, also in der Tat die
immanente Fessel und Schranke der Produktion bildet, die beständig durch
das Kreditwesen durchbrochen wird. «Das Kreditwesen beschleunigt daher die
materielle Entwicklung der Produktivkräfte und die Herstellung des
Weltmarktes, die als materielle
Grundlagen der neuen Produktionsform
bis auf einen gewissen
Höhegrad herzustellen, die historische Aufgabe der
kapitalistischen Produktionsweise ist. Gleichzeitig beschleunigt der Kredit die gewaltsamen Ausbrüche
dieses Widerspruchs, die Krisen, und damit die Elemente der Auflösung der
alten Produktionsweise» (Kurz R. Kollaps der Modernisierung: vom Zusammenbruch
des Kasernensozialismus zur Krise der Weltökonomie. – Fr. am Ì.: Eichborn,
2009, S.483). Und für die Transformationsperiode: «Endlich unterliegt es keinem Zweifel,
daß das Kreditsystem als ein mächtiger Hebel dienen wird
während des Übergangs aus der kapitalistischen produktionsweise in
die Produktionsweise der assoziierten Arbeit, jedoch nur als ein Element in
Zusammenhang mit anderen großen organischen Umwälzungen der Produktionsweise selbst.
Dagegen entspringen die Illusionen über die wunderwirkende
Macht des Kredit- und
Bankwesens, im sozialistischen Sinn, aus völliger Unkenntnis
der kapitalistischen
Produktionsweise und des Kreditwesens
als einer ihrer Formen. Sobald die Produktionsmittel aufgehört haben, sich in Kapital zu
verwandeln (worin auch die Aufhebung
des Privateigentums
eingeschlossen ist), hat der
Kredit als solcher keinen Sinn mehr...» (ibid. S. 56.)
Die Bourgeoisie hat nun
in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft für eine ganze Periode, für die Periode der «transitorischen Notwendigkeit» des Kapitalismus eine «revolutionäre Rolle» (Marx) gespielt, sie hat Kapital
akkumu- liert, die vorkapitalistischen
Produktionsverhältnisse des
Feudalismus zerstört, die
Bedingungen für eine höhere
Ent- faltung der
Produktivkräfte freigemacht. «Die Entdeckung Amerikas, die
Umschiffung Afrikas schufen der aufkom- menden Bourgeoisie ein neues Terrain. Der ostindische und
chinesische Markt, die Kolonisierung
von Amerika, der Austausch mit
den Kolonien, die Vermehrung der Tauschmittel und der Waren überhaupt
gaben dem Handel, der Schiffahrt, der Industrie einen nie gekannten
Aufschwung und damit dem
revolutionären Element in der zerfallenden feudalen Gesellschaft eine
rasche Entwicklung» (Karl Marx: KominunistiscJies Manifest, in:
Marx-Engels-Werke, Bd. 4, Berlin 1964 5.463/). Die neu entstehenden
Bedürfnisse konnten nur durch neue Produktionsweisen befriedigt werden.
Die Manufaktur und - auf der Grundlage
eines ungesättigten Marktes - auch
bald die große Jndustrie vertieften
das System der Arbeitsteilung, steigerten die Produktivität der
Arbeit und die Macht und Herrschaft des Kapitals.
Die
vorkapitalistischen Klassen zeichneten
sich gerade dadurch aus,
daß sie in der Beibehaltung ihrer
traditionellen Produktionsweise ihre erste Lebensbedingung sahen. Nicht so die
Bourgeoisie. Sie muß ununterbrochen die Produkti- onsverhältnisse
und Produktivkräfte umwälzen,
sie ist der lebendige Widerspruch zwischen der dem Kapital immanen- ten
Tendenz, die Produktivkräfte
schrankenlos zu entfalten - vermittelt über Konkurrenz auf dem
Markte - und den permanenten Schranken in der Entfaltung, die sich aus dem
beschränkten Zweck der Verwertung des Kapitals ergeben. Der Kampf dieser
beiden entge- gengesetzten Tendenzen bestimmt das historische Schicksal des
Kapitalismus.
Das Bedürfnis nach
immer neuen Märkten «jagt die Bourgeoisie über die ganze Erdkugel.
Überall muß sie sich einnisten, überall anbauen, überall
Verbindungen herstellen» (Kurz R. Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf
die Marktwirtschaft. - Munchen: Ullstein, 2001, S.51). So schafft sie sich den
Weltmarkt, der die. verschiedenen Nationen voneinander abhängig macht,
«reißt durch die rasche Verbesserung aller Produktionsinstrumente, durch
die unendlich erleichterte Kommunikation alle, auch die barbarischsten Nationen
in die Zivilisation. Sie zwingt alle Nationen, die produktionsweise der Bourgeoisie sich anzueignen, wenn sie
nicht zugrunde gehen wollen [...] mit einem Wort, sie schafft sich eine Welt
nach ihrem eigenen Bilde» (ibid., S.66/) und: Die Bourgeoisie hat durch die
Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller Länder
kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der
Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen
weggezogen verdrängt durch neue Industrien, deren Einführung
eine Lebensfrage für alle
zivilisierten Nationen wird, durch
Industrien, die nicht mehr einheimische
Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen angehörige Rohstoffe verarbeiten
und deren Fabrikate nicht nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen
zugleich verbraucht werden. Marx unterstellt hier mehr oder weniger die
Herausbildung der konkreten Totalität des kapitalistischen Weltmarktes,
die weltweite Kapitalisierung. Davon konnte aber zur Marxschen Zeit keine Rede
sein. Die Kapitalisierung der Gesellschaft, der Welt, ist doch selbst ein
historischer Prozeß. Das heißt, wenn wir die geschichtliche Ganzheit der gesellschaftlichen Wirklichkeit erkennen wollen, müssen
wir das Verhältnis der kapitalistischen
Gesellschaft zu der
nichtkapitalistischen Gesellschaft und den Prozeß der Verkapitalisierung untersuchen. Diesen für die Weiterentwicklung der Marxschen Theorie wesentlichen
Gesichtspunkt problematisierte Rosa Luxemburg, besonders in ihrem Buch Die
Akkumulation des Kapitals. Marx hatte gerade in Indien und China eine sehr
schnelle Industrialisierung und damit Kapitalisierung durch den englischen
Kapitalismus erwartet. Das englische Kapital zerstörte zwar wichtige
Elemente der alten Produktionsweise,
ohne aber die neue, die kapitalistische wirklich einzuführen. Es
bildete sich vielmehr schon damals eine internationale repressive Ar-
beitsteilung heraus, von der auch Marx schon Kenntnis nahm: «Was die
arbeitenden Klassen anbetrifft [...] sehr strittige Frage, ob ihre Lage sich
verbessert habe [...] Aber vielleicht haben die Ökonomen, wenn sie von
Verbesserung spra- chen, von den Millionen Arbeitern sprechen wollen, die in
Ostindien umkommen mußten, damit den 1 1/2 Millionen in der gleichen Industrie
in England
beschäftigten Arbeitern drei Jahre Prosperität auf 10 verschafft wurden» (Karl Marx: Elend
der Philosophie, MEW, Bd. 4, Berlin 1964, S.123/24/). Hier wird schon jener
Ausbeutungsmechanismus gezeigt, der sich im «klassischen Imperialismus» von der
Jahrhundertwende an auf erweiterter Stufenleiter fortsetzte. Es wurde klar,
daß die kapitalistische Produktionsweise
keine jederzeit verfügbare
Exportware darstellt. Die Theorie des Imperialismus drückte diesen
historischen Tatbestand aus. Was war geschehen? Die Konzentration der
Produktion und die fortschreitende
Akkumulation des Kapitals, die
sich in der Dialektik von Konkurrenz
und Monopol durchsetzte, führte zur Herausbildung von
Monopolverbänden, die die koloniale Expansion wesentlich forcierten. Um
den Fall der Profitrate aufzuhalten so nach R.Hilferding -, haben sich
Industrie- und Bankkapital im Finanzkapital
verschmolzen, um einen von den Banken geleiteten planmäßigen
Kapitalexport in die nichtkapitalistischen oder weniger kapitalisierten
Länder durchzuführen. Die materialistische Grundlage
des vermehrten Warenezports und besonders des Kapitalex- ports sind die Extraprofite in den Kolonien und im
«auswärtigen Handel», ist die Überproduktion in den
Industrielän- dern, in der die Waren und das Kapital vergebens nach
günstigen Anlage- und Absatzmöglichkeiten suchten. Die mili-
tärische Zwangsgewalt des Staates stellte sich in den Dienst der
ökonomischen Notwendigkeiten. Die
Schutzzoll-Phase des Imperialismus, die
der Freihandelsphase folgte, zeichnete
sich dadurch aus, daß die Erweiterung
der Größe des Wirtschaftsgebietes zur unbedingten Notwendigkeit eines jeden entwikkelten Landes
wurde. Die kleineren Wirtschafts- gebiete wurden den größeren
tributpflichtig. Der staatliche Wirtschaftskrieg wurde in Permanenz erklärt, was unver- meidlich zur
militärischen Auseinandersetzung führen mußte. Die
Herausbildung einer riesigen Rüstungsindustrie ist in diesem Zusammenhang zu sehen. Hinzu kommt, daß in
der kapitalistischen Produktionsweise die Lebenshaltung eines Volkes immer
hinter den technischen
Möglichkeiten der
Produktionssteigerung
zurückbleibt. Die
Entfaltung der Zi- vilindustrie findet ihre Schranken in der unzureichenden
Konsumtion der Massen. Das Kapital wächst sehr viel schneller als die
Möglichkeiten seiner Verwertung. Der riesig angeschwollene
Akkumulationsfonds des Kapitals muß so nach Betätigungsfeldern suchen, die von der Konsumkraft des Volkes
im wesentlichen unabhängig sind: die Kriegsindustrie. Der Erste Weltkrieg
war der Versuch des deutschen Imperialismus, die schon abgeschlossene
Aufteilung der Welt in bestimmte
Herrschafts- und Einflußsphären mit militärischen Mitteln in
Frage zu stellen. Die Forderung der Linksradi- kalen von Lenin bis Luxemburg
war unter diesen Bedingungen die Umwandlung des imperialistischen Krieges in
den Bürgerkrieg. Es gelang aber nur den russischen Massen, sich vom
Imperialismus zu befreien, eine sozialistische Gesellschaftsordnung in Angriff zu
nehmen.
Mit dem Krieg von 1914/18
wurde die Epoche der «transitorischen Notwen- digkeit» des Kapitalismus beendet
und die Epoche des Niedergangs und der Möglichkeit der Revolution
eingeleitet. Die Marxsche Revolutionstheorie schien sich historisch zu verifizieren:
1. In der Entwicklung der
Produktivkräfte tritt eine Stufe
ein, auf welcher Produktionskräfte und Verkehrsmittel her- vorgerufen werden, welche unter den
bestehenden Verhältnissen nur Unheil anrichten, welche keine
Produktionskräfte mehr sind, sondern Destruktionskräfte (Maschinerie und Geld) - und was damit
zusammenhängt, daß eine Klasse her- vorgerufen wird, welche alle
Lasten der Gesellschaft zu tragen hat, ohne ihre Vorteile zu genießen,
welche aus der Ge- sellschaft herausgedrängt, in den entschiedenen
Gegensatz zu allen anderen Klassen forciert wird - eine Klasse, die die
Majorität aller Gesellschaftsmitglieder
bildet und von der das Bewußtsein
über die Notwendigkeit
einer gründlichen Revolution, das kommunistische Bewußtsein, ausgeht, das sich
natürlich auch unter den anderen Klassen vermöge der Anschauung der
Stellung dieser Klasse bilden kann.
2. Daß die
Bedingungen, innerhalb deren
bestimmte Produktionskräfte angewandt werden können, die
Bedingungen der Herrschaft einer bestimmten Klasse der Gesellschaft sind, deren
soziale, aus ihrem Besitz hervorgehende Macht in der jedesmaligen Staatsform
ihren praktisch-idealistischen Ausdruck
hat, und deshalb jeder revolutionäre Kampf gegen eine Klasse, die bisher
geherrscht hat, sich richtet.
3. Daß in allen
bisherigen Revolutionen die Art der Tätigkeit stets unangetastet blieb und es sich nur um eine andere
Distribution dieser Tätigkeit, um eine neue Verteilung der Arbeit an andre
Personen handelte, während die' kommuni- stische Revolution sich gegen die
bisherige Art der Tätigkeit richtet, die Arbeit beseitigt, und die
Herrschaft aller Klas- sen mit den Klassen selbst aufhebt, weil sie durch die
Klasse bewirkt hat, die in der Gesellschaft für keine Klasse mehr (59/)
gilt, nicht als Klasse anerkannt wird, schon der Ausdruck der Auflösung
aller Klassen, Nationalitäten etc. inner- halb der jetzigen Gesellschaft
ist. Und
4. daß sowohl zur
massenhaften Erzeugung dieses kommunistischen Bewußtseins, wie zur Durchsetzung der
Sache selbst eine massenhafte Veränderung der Menschen nötig ist, die
nur in einer praktischen Bewegung, in einer Revoluti- on vor sich gehen kann;
daß also die Revolution nicht nur nötig ist, weil die herrschende
Klasse auf keine andere Weise gestürzt werden kann, sondern auch, weil die
stürzende Klasse nur in einer Revolution dahin kommen kann, sich den
ganzen alten Dreck vom Halse zu schaffen und zu einer neuen Begründung der
Gesellschaft befähigt zu werden.
Der Zweite Weltkrieg hatte die ganze
kapitalistische Welt, die zu der Zeit noch keinen wirklich weltweiten
Interdepen-denzzusammenhang begründete, in einen einzigen Betrieb zur
Produktion von Waffen, Munition und Verpflegung für die sich
bekämpfenden Armeen der kapitalistischen Staaten verwandelt. Die Herausbildung massenhafter Destrukti-
onsmittel durch die kapitalistische Produktionsweise selbst, für Marx das
Kriterium der objektiven «Reife der Revoluti- on», war aber nur sehr bedingt
mit der Herausbildung eines Bewußtseins der ausgebeuteten Klasse von der
Notwendigkeit und Möglichkeit
einer «totalen» Revolution gegen
die die menschliche Entwicklung hemmenden
kapitalistischen Produktionsverhältnisse verbunden. Um diesen scheinbaren Widerspruch zu verstehen, ist es
notwendig, die Implika- tionen des Marxschen Klassenbegriffs noch einmal zu befragen. Die Wirklichkeit,
die in der Gesellschaft vor allem im Mittelpunkt der ökonomischen und
materiellen Untersuchungen des Produktionsprozesses von Marx steht, sind die Menschen, nicht als
vereinzelte Individuen, sondern als Klassen. In der Ökonomie ist nicht von
Sachen die Rede, son- dern von menschlichen Verhältnissen. Da diese
Verhältnisse aber an Sachen gebunden sind, diese Sachen von den Pro-
duzenten in entfremdeter Gestalt
- ausgeschlossen von dem
Besitz und der Kontrolle über die Produktionsmittel - produziert werden, erscheinen die menschlichen Verhältnisse im
Bewußtsein der Produzenten und
Kapitalisten als Herrschaft der
Dinge über die Menschen. Hinter diesen «versachlichten Produktionsbeziehungen» liegen die menschlichen Verhältnisse in
der Form von Klassenverhältnissen. Was macht nun aber nach Marx die Klasse
zur Klasse?
Im 18. Brumaire des Louis
Bonaparte heißt die Antwort: «Sofern Millionen und Abermillionen Familien
unter solchen wirtschaftlichen Verhältnissen leben müssen, die ihre
Lebensweise, Interessen und Bildung von denen anderer Klassen trennen und sie
ihnen gegenüber zu Feinden machen, bilden sie eine Klasse. Sofern nur eine
lokale Beziehung besteht zwischen den Bauern, die Parzelleneigentümer sind und bei ihnen die Gemeinsamkeit ihrer Interessen keine Einheit, natürliche Verbindung und politische Organisation
schafft, bilden sie keine Klasse» (MEW, Bd. 8, Berlin 1960, S.198), und im Elend der
Philosophie: «Die ökonomischen Verhältnisse haben die Masse der
Bevölkerung zu Arbeitern umge- wandelt. Die Herrschaft des Kapitals hat
für die Masse eine gemeinsame Situation und gemeinsame Interessen geschaf-
fen. Auf diese Weise ist diese Masse schon eine Klasse gegenüber dem Kapital, aber noch nicht für sich
selbst. Im Kampf [...] findet sich diese Masse zusammen, konstituiert sie sich
als Klasse für sich selbst. Die Interessen, welche sie verteidigt, werden
Klasseninteressen. Aber der Kampf von
Klasse gegen Klasse ist ein politischer Kampf» (MEW Bd. 4, Berlin 1964, 5.
i8i). Zur Vollständigkeit der Klassenwirklichkeit gehört nicht nur,
daß die Klassenindividuen gemeinsame ökonomische Interessen haben.
In diesem Falle ist die Klasse nur ökonomisch, nur objektiv durch die
Stellung im Produktionsprozeß
bestimmt. Die historisch
relevante Klassenwirklichkeit ist erst
dann erreicht, wenn die Menschen zum Bewußtsein ihrer Klasse kommen, zum Klassenbewußtsein. Der Marxismus als revolutionäre Theorie
gegen alle Verhältnisse, unter denen der Mensch verlassen, einsam und ausgebeutet ist, steht und fällt mit einem
richtigen Ver- ständnis des Klassenbewußtseins. Der Klassenkampf macht diese objektive,
ökonomische und wissenschaftliche
Wirk- lichkeit der Klasse subjektiv,
politisch und praktisch-Irritisch. Der Begriff
der Klasse darf so nicht
statisch, als von Ewigkeit zu Ewigkeit
gegeben, sondern nur dynamisch, als sich allein im Kampfe herausbildende
geschichtliche Wirk- lichkeit
verstanden werden. Die Herausbildung der lohnabhängigen Massen zur
revolutionären Klasse ist das Ziel und die Tendenz des revolutionären
Prozesses, nicht Ausgangspunkt.
Ausgangspunkt der taktischen Überlegungen für den Klassenkampf
bleibt allerdings die ökonomisch-wissenschaftliche Lage der Klasse des Proletariats. Jede
wirklich revolutionäre Praxis reduziert die Differenz zwischen dem
passiv-ökonomischen Sein und dem
aktiv-revolutionären Han- deln, dem
praktisch-kritischen
Klassenbewußtsein.
Der naturwüchsige und
blinde Zwangscharakter der
wirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, der ihnen den Charakter einer übergeschichtlichen «Naturgesetzlichkeit» zu geben scheint, wird durch die
bewußte Tätigkeit des praktisch-kritischen Klassenbewußtseins durchbrochen. Im Klassenkampf des
Proletariats wird der historische Dualismus
von Theorie und Praxis tendenziell
aufgehoben. Die Theorie kann dem
praktischen Handeln nicht gegenübergestellt werden, denn «allein durch die Theorie wird sie zur materiellen
Gewalt, sobald sie die Massen ergreift»
(Karl Marx: Exner
A. Die Grenzen des Kapitalismus: wie wir am Wachstum scheitern. - Wien:
Ueberreuter, 2008, S.85). Darin liegt die praktisch wirksame Funktion des
Bewußtseins in der Geschichte, wie sich später zeigen sollte, auch des
falschen Bewußtseins.
In der Sprache der
Erkenntnistheorie heißt das: Die gesellschaftliche Erkenntnis ist gesellschaftliche Veränderung. Die Erkenntnis der
gesellschaftlichen
Situation trägt handlungsartigen Charakter, weil das
Handeln dialektisch-identisch
dem Erkennen ist. Damit ist das Problem des Klassenbewußtseins gegeben.
Dieses historische Selbstbewußtsein des Proletariats entsteht nur im bewußten Klassenkampf, bei
dem auch die Theorie und ihre Weiterentwicklung zum Klas- senkampf gehört.
Es kann sich nur in einem langen und schmerzlichen Prozeß herausbilden, denn die herrschenden Klassen
versuchen mit allen Mitteln, diesen Bewußtwerdungsprozeß der
lohnabhängigen Massen zu verhindern. Gegen die Fraktion Willich-Schapper
sagte Marx in den Enthüllungen über den Kommunistenprozeß in
Köln: «Statt der wirklichen Verhältnisse wird ihr der bloße
Wille zum Triebrad der Revolution. Während wir den Arbeitern sagen: Ihr
habt 15, 20, 50 Jahre
Bürgerkriege und Völkerkriege durchzumachen, nicht nur um die
Verhältnisse zu ändern, sondern um euch selbst zu ändern
[Hervorhebung d. Vf.), um zur politischen Herrschaft zu befähigen, sagt
ihr im Gegenteil: Wir müssen gleich zur Herrschaft kommen oder wir
können uns schlafen legen... Wie von den Demokraten das Wort Volk zu einem
heiligen Wesen gemacht wird, so von Euch das Wort Proletariat» (MEW, Bd. 8,
Berlin 1990, S.412 f). Der
prozessuale Charakter der Herausbildung der revolutionären
Klasse des Proletariats und seines
Klassenbewußtseins bestimmt auch die Grundproblematik des revolutionären Marxismus: die
Einheit von Theorie und Praxis. Diese Einheit, die die marxistische Gesellschafts- und Geschichtsphilosophie
mit der revolutionären
Klassenkampfpolitik - als Philosophie der Praxis - in dialektische
Einheit bringt, ist ebenso wie die Klasse keine fertige Einheit, sondern selbst
nur als Produkt widersprüchlicher geschichtlicher Prozesse zu begreifen.
Die Totalität der
materiellen Produktion - als der bedingenden Grundlage aller Prozesse der
gesellschaftlichen Ausein- andersetzung
in der kapitalistischen
Formationsperiode - ist in letzter Konsequenz nur ein Teil der
gesellschaftlichen Totalität. Die Kjassen, die Subjekte der Produktion
nehmen nicht nur an der Produktion und am Tausch Anteil. Sie kämpfen auch
gegeneinander um die Macht und um die
jeweilige gesellschaftliche Struktur,
sie zu erhalten oder sie revolutionär umzuwälzen. Der
Produktionsprozeß schlägt
unter bestimmten Bedingungen in
Klassenkampf, in politische Auseinandersetzung um, sie durchdringen sich ununterbrochen wechselseitig. Das bewußtgewordene
Proletariat wirkt durch sein politisches Handeln so auch auf die
Produktion ein: «Von allen Produktionsinstrumenten ist die größte
Produktivkraft die revolutionäre Klasse selbst» (Reichelt Helmut. Neue
Marx-Lektüre. Zur Kritik sozialwissenschaftlicher Logik.-Hamburg 2008,S.181).
Was sind nun aber
für Marx die Bedingungen dafür, daß die revolutionäre
Klasse sich zur größten Produktivkraft ent- falten kann? Der «normale»
Gang der kapitalistischen Produktionsweise produziert
eine «integrierte»
Arbeiterklasse:
Im Fortgang der kapitalistischen Produktion
entwickelt sich eine
Arbeiterklasse, die aus Erziehung, Tradition,
Ge- wohnheit, die Anforderungen jener Produktionsweise als
selbstverständliche Naturgesetze anerkennt. Die Organisation des
ausgebildeten kapitalistischen produktionsprozesses bricht jeden Widerstand,
die beständige Erzeugung einer relativen Überbevölkerung
hält das Gesetz der Zufuhr von und Nachfrage nach Arbeit, und daher den
Arbeitslohn, in einem den Verwertungsbedürfnissen des Kapitals entsprechenden Gleise, der
stumme Zwang der ökonomischen Verhältnisse besiegelt die Herrschaft
des Kapitalisten über den Arbeiter. «Außerökonomische, unmittelbare Gewalt wird zwar noch immer angewandt,
aber nur ausnahmsweise. Für den gewöhnlichen Gang der Dinge kann der
Arbeiter den Naturgesetzen der Produktion überlassen bleiben, das
heißt seiner aus den Produktionsbedingungen selbst entspringenden, durch sie garantierten und verewigten Abhängigkeit vom Kapital» (Kockshott
Paul W., Kotrell A., Alternativen aus dem Rechner. Für sozialistische
Planung und direkte Demokratie.-Köln:PapyRossa Verlag, 2006, S.71). Allein
in der tiefen ökonomischen Krise, als einer Krise der Gesamtgesellschaft, kann die verinnerlichte und mehr oder minder
akzeptierte ökonomische Gewalt des Kapitalverhältnisses vom Produzenten problematisiert werden, entsteht die objektive Möglichkeit
für die Entstehung eines revolutionären Klassenbewußtseins auf der Grundlage des politischen
Klassenkampfes zwischen Lohnarbeit und Kapital.
Schon nach Marx, erst
recht bei Lenin wird der politische Klassenkampf von den Arbeiterparteien
geführt, wobei nach Marx sich die Kommunisten «von den übrigen Arbeiterparteien nur dadurch unterscheiden,
daß einerseits sie in den
verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der
Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats
hervorheben und zur Geltung bringen, andererseits dadurch, daß sie in den
verschiedenen Ent- wicklungsstufen,
welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie
durchläuft, stets das Interesse
der Gesamtbewegung vertreten» (Kommunistisches
Manifest, MEW, Bd. 4, Berlin 1964, 5.474/). Die Kommunisten wollen weder
die proletarische Bewegung durch besondere Prinzipien modeln, noch sind ihre
Interessen von denen der Gesamtbe- wegung getrennt. In der historischen Praxis
der Arbeiterbewegung ist dieser Gedanke einer Einheitsfront aller
lohnabhängigen Massen gegen die politischen und ökonomischen Herrschaftsmechanismen der Bourgeoisie bis heute noch nicht verwirklicht worden.
Als am Ende des
Weltkrieges die erste Weltkrise des kapitalistischen Systems viralent wurde,
galt es für alle revolutionären Parteien innerhalb des damaligen
Weltsystems des Kapitalismus - auch diese konkrete Totalität des Welt-
markts war noch nicht wirklich weltweit - diese historische Möglichkeit zu
aktualisieren, den kapitalistischen
Staat und die ihn bedingende Produktionsweise umzuwälzen, eine
sozialistische Welt ohne profitmaximierende
Monopole, ohne Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und ohne Krieg
zu erkämpfen.
Diese Frage
verweist uns auf
die andere Frage
nach dem Verhältnis von Ideologie und
Ökonomie. Der sozial-ökonomische Zerfallsprozeß
der kapitalistischen Produktionsweise
setzte starke Massenaktionen gegen das kapitalisti- sche System frei. Im
«klassischen» Verhältnis von Ökonomie und Ideologie ist die spontane
Massenaktion die subjekti- ve Seite des objektiven ökonomischen Prozesses. Daraus bestimmt sich auch die Rolle und Funktion
der Partei im revolutionären Prozeß: sie kann den
Prozeß beschleunigen, movens der
Bewegung sein, aber nie getrennt von der Bewegung der Massen, die sich in
letzter Konsequenz unabhängig von der Partei durchsetzt - so oder so. Die
Partei darf in dieser Konzeption keine selbständige Initiative, getrennt
von den Massenaktionen durchführen, würde in der «klassischen»
Konzeption nur als Blanquismus
beziehungsweise Putschismus verstanden werden können. Diese
Konzeption geht von dem «naturgesetzlichen»
Charakter der ökonomischen und damit auch der politischen und
ideologischen Prozesse aus. In der aktivistischen, praxisorientierten Marxschen Theorie kann dieses Verhältnis
nur für die transitorische Notwendigkeit
des Kapitalismus zutreffen, für jene Periode also, wo der
Kapitalismus historisch-progressiven
Charakter hatte. Die Marxschen
«Naturgesetze» des
gesellschaftlichen Lebens beruhen gerade auf der
«Bewußtlosigkeit der
Beteiligten», sie führen die
Gesellschaft in die Krise des Systems
hinein, aber verbürgen in keiner Weise eine
sozialistisch-revolutionäre
Wendung der Krise. Die Marxschen Aussagen über den historischen
Charakter der Aussagen der Gesellschaftswissenschaften einschließlich der
Ökonomie zeichnen sich gerade dadurch aus, daß sie
«revolutionäre Wissenschaft»,
Selbsterkenrttnisse eines je
besonderen gesellschaftlichen Zustandes
sind, also in keiner Weise vulgär- marxistisch als zeitlos gültige
Gesetze der menschlichen Gesellschaft aufzufassen sind. (Habermas Jurgen.
Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus. – Frankfurt am Main,2002,
S.91). Die
Frage ist, ob unter den Bedingungen des «Sprunges aus dem Reich der
Notwendigkeit in das Reich der
Freiheit» (Engels), der ja nur als Prozeß der Transformation des
Kapitalismus zu verstehen ist, noch die «naturgesetzlichen» Prozesse sich durchsetzen. «Wann, wo, unter
welchen Bedingungen und inwiefern setzt dieser ein? Die Beantwortung dieser
Frage, die, wie fast alle Fragen von einschneidender theoretischer
Wichtigkeit, leider so gut wie
niemals aufgeworfen wurde, ist für die Bestimmung der Taktik der Parteien von höchster
praktischer Wichtigkeit. Denn falls der
Beginn dieses Prozesses in die Periode der letzten Krise des Kapitalismus
gesetzt wird, müssen aus dieser theoretischen Stellungnahme die
weitgehendsten taktischen Schlußfolgerungen gezogen werden» (Lafontaine O.
Keine Angst vor der Globalisierung: Wohlstand und Arbeit fur alle.-Berlin/Bonn:
J. H. W. Dietz Verlag, 2009, S.211). Hier gewinnt die subjektive,
aktivistische und voluntaristische Revolutionstheorie
ihren materialistischen Begründungszusammenhang: allein die
bewußte Tat des revolutionären Proletariats kann die objektive Krise
des kapitalistischen Systems in die revolutionäre Transformation des Systems umsetzen.
Als Alternative für
ein Versagen des
Proletariats nennt die Marxsche Theorie und die historische
Praxis den Untergang der kämpfenden Klassen oder - um mit Rosa Luxemburg
zu sprechen - die "Barbarei".
Literaturverzeichnis:
1.Exner A. Die Grenzen
des Kapitalismus: wie wir am Wachstum scheitern. Christian Lauk , Konstantin
Kulterer. - Wien : Ueberreuter, 2008. -
223 s.
2.Exner A. (Hg.Ernst
Lohoff). Losarbeiten Arbeitslos – Globalisierungkritik und die Krise der
Arbeitsgesellschaft.– Münster: Unrast
Verlag, 2005.-284 s.
3.Gorz A. Kritik der
ökonomischen Vernunft. Sinnfragen am Ende der
Arbeitsgesellschaft.-Hamburg: Rotbuch Verlag 1994.-388 s.
4.Habermas Jurgen.
Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus. – Frankfurt am Main:Suhrkamp
Verlag,2002. -195 s.
5.Jappe A. Die Abenteuer
der Ware. – Münster: UNRAST-Verlag,
2005. - 253 s.
6.Kockshott Paul W.,
Kotrell A. Alternativen aus dem Rechner. Für sozialistische Planung und
direkte Demokratie.-Köln:PapyRossa Verlag, 2006. - 267 s.
7.Kurz R. Kollaps der
Modernisierung: vom Zusammenbruch des Kasernensozialismus zur Krise der
Weltökonomie. - Frankfurt am Main:Eichborn, 2009. - 288 s.
8.Kurz R. Schwarzbuch
Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft. - Munchen: Ullstein, 2001,
- 456 s.
9.Lafontaine O. Keine
Angst vor der Globalisierung: Wohlstand und Arbeit fur alle.-Berlin/Bonn: J. H.
W. Dietz Verlag, 2009.-352 s.
10.Reichelt H. Neue
Marx-Lektüre. Zur Kritik sozialwissenschaftlicher Logik.- Hamburg:
VSA-Verlag, 2008 – 384 s.